Dienstag, 5. Januar 2016

Also, das geht nicht, Harald Stutte


Im aktuellen SPIEGEL wendet sich Markus Feldenkirchen mit seinem Leitkommentar direkt an die „besorgten Bürger“.

[…] Eine weitere Sorge gilt uns, den Medien. Viele „besorgte Bürger“ unterliegen dem Missverständnis, dass guter Journalismus haargenau die eigene Meinung wiedergeben müsse. Das ist menschlich, aus ähnlichen Motiven haben die Nazis ihren „Stürmer“ gehabt. In Demokratien aber war die Idee von Journalismus bisher eine andere. […]
 (Der SPIEGEL 01/2016 s.12)

That said, muß ich mich ein bißchen über den Mopo-Redakteur „Harald Stutte“ echauffieren.
Schon wieder.

 Es ist nicht das erste mal, daß ich mich über Stutte sehr wundern muß.


Er tut das aber offenbar weniger aus Bosheit, sondern einfach aus Unwissenheit.
Im Grunde sollte man sich auch nicht über eine so einfache Boulevardzeitung ärgern. Natürlich haben die keine Mittel, um sich echte Edelfedern zu leisten.
Für den Preis von 90 Cent kann man natürlich keinen Spitzenjournalismus erwarten.
Ganz im Sinne Fledenkirchens erwarte ich auch keineswegs von der Hamburger Morgenpost genau das zu präsentieren, was ich auch denke.
Stutte und seine Kollegen können und sollen gern andere Meinungen vertreten.

Es ist aber nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt, wenn man aus purer Unwissenheit außenpolitische Dinge einfach falsch darstellt.

In der heutigen Ausgabe will uns Stutte nämlich Saudi Arabien erklären.

Für die Welt war die Inthronisierung Salmans im Januar 2015 nur eine Randnotiz. Ein 79-Jähriger Greis folgte einem 91-Jährigen (Abdullah), der zehn Jahre zuvor einem 84-Jährigen (Faht) auf den Thron gefolgt war.
(Mopo, STU, 05.01.16)

Zunächst einmal Vorsicht mit der Behauptung 79-Jährige wären automatisch Greise.  Helmut Schmidt war mit knapp 97 noch deutlich fitter im Kopf als Harald Stutte und bekanntlich war Konrad Adenauer noch mit 87 Jahren Bundeskanzler und viele 90-Jährige demonstrier(t)en gerade im deutschen TV ihre geistigen Qualitäten. Margarethe Mitscherlich, Hildegard Hamm-Brücher, Peter Scholl-Latour, Wolfgang Leonhard, Egon Bahr.  Papst Franziskus ist im Übrigen auch 79 Jahre alt und wird niemals als „Greis, der auf Greise folgte“ abgekanzelt.

Es muß sich auch niemand mit den 7000 saudischen Prinzen auskennen. Aber wenn man schon Artikel darüber schreibt, sollte man sich doch zumindest anlesen, daß Salman der vorletzte der sieben berühmten Sudairi-Prinzen ist.

Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud, 79,  saudischer absoluter Herrscher seit dem 23. Januar 2015, ist der vorletzte der sieben Lieblingssöhne seines Vaters König Abd al-Aziz ibn Saud. So kam er jetzt auf den Thron, obwohl er nur der 32. Sohn seines Vaters ist. Es gibt nur noch einen jüngeren Sohn von König Salmans Mutter Huzza Bint Ahmed Bin Mohammed Al-Sudairi.
Salmans Papi, der legendäre Staatsgründer, regierte rund 50 Jahre, davon 21 Jahre als König, war mit 17 Frauen verheiratet und zeugte etwa 60 Kinder.
Dagegen stinkt Salam ab.
Sein Bruder und unmittelbarer Vorgänger König Abdullah hatte wenigstens noch 34 Kinder von neun Ehefrauen.

Die Sudairi-Sieben spielen eine entscheidende Rolle in Saudi Arabien. Auch König Faht war einer der Sudairi-Sieben.
Das ist schon insofern wichtig, weil man annimmt, daß erst nach dem Tod aller sieben Vollgeschwister ein Generationenwechsel in Riad vollzogen wird.

Salmans direkter Vorgänger, König Abdullah, war auch keineswegs einer dieser Greise, von denen Stutte suggeriert, es mache keinen Unterschied, wer auf dem Thron säße. Abdullah war durchaus ein bißchen reformorientiert und leitete sukzessive Neuerungen ein.

Dies dreht Salman nun zurück.

Vollkommen falsch ist hingegen die Darstellung Stuttes, die Welt habe den Thronwechsel gar nicht mitbekommen. Das diametrale Gegenteil ist richtig. Noch nie wurde so ein diplomatischer Großalarm ausgelöst.

Als Abdullah starb, war Merkel krank und Pastor Gauck feierte gerade eine Sause zu seinem 75. Geburtstag. Da es für Gauck nichts Wichtigeres als Gauck gibt, war er also verhindert.
Protokollarisch wäre Steinmeier am drannsten gewesen, um schleimspurziehend auf den Knien durch Riad zu rutschen.
Salman, der neue König gibt sich aber nicht mit so etwas minderem wie Außenministern zufrieden. So kam es, daß Merkel ganz schnell Wulff reaktivierte, um der Saudischen Königsfamilie zu kondolieren.
Präsident ist in ihren Augen mehr als ein Außenminister, auch wenn es nur ein „Ex“ ist, der chronisch so knapp bei Kasse ist, daß man stets befürchten muß, er könnte sich das Tafelsilber einstecken.   […]

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Saudi-Arabien zum Tod von König Abdullah kondoliert und dem gestorbenen Monarchen für "seine ausgewogene und vermittelnde Politik im Nahen Osten (...) Respekt und Anerkennung" gezollt. Wie das Bundespresseamt mitteilte, sprach Merkel in einem Kondolenztelegramm dem neuen König Salman ibn Abdelasis ihr "tief empfundenes Mitgefühl" aus.
Weiter schrieb die Kanzlerin über den verstorbenen König: "Mit Klugheit, Weitsicht und großem persönlichen Einsatz ist er für eine behutsame Modernisierung seines Landes und für den Dialog der islamischen Welt mit dem Westen eingetreten."

Noch ungenierter agiert Obama.
Der Guantanamo-man, der zuhause fleißig die Todesstrafe praktizieren lässt und weltweit durch illegale Drohnen-Mord-Aktionen Unschuldige umbringen läßt, setzt im Spannungsfeld zwischen „westlichen Werten“ wie Meinungsfreiheit und Rücksicht auf islamische Despoten klare Prioritäten.
Moral und Werte – das brauchen die frommen Christen Obama, Wulff und Merkel nur bei Sonntagsreden und um sich bei ihren Wählern einzuschleimen. In der praktischen Politik tangieren sie diese Petitessen nicht.
Die böse Mainstreampresse kritisiert das durchaus. Sie tut das was sie tun muß.
Allein, es schert niemand.

[…] Es wirkt wie eine Pilgerfahrt. Der saudische König ist gestorben, und alle eilen nach Riad. Frankreichs Präsident und der britische Premier waren schon da, der US-Präsident will am Dienstag kommen. Der Westen verneigt sich vor dem toten Herrscher. Das ist prinzipiell nicht verwerflich. Zu kondolieren ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Leider belassen es die Staats- und Regierungschefs aber nicht beim Kondolieren, sie machen einen Kotau.
In dem Land, das die Königsfamilie sich untertan gemacht hat, gelten Frauen nichts. Homosexuelle werden verfolgt, Blogger ausgepeitscht, Todesurteile öffentlich mit Säbeln vollstreckt. Es grenzt an eine Selbstaufgabe der Demokraten, wenn in London sogar die Fahnen am Parlament auf Halbmast gesetzt werden, weil König Abdullah gestorben ist.
Es ist absurd, wenn Merkel die "Klugheit" und "ausgewogene Politik" des Monarchen preist. Und es ist bezeichnend, dass Obama den Gedenkmarsch für die Opfer des islamistischen Terrors in Paris geschwänzt hat, jetzt aber zu den Mittelalter-Theokraten in Riad pilgert. […]

[…] Barack Obama bietet für seinen Antrittsbesuch bei Saudi-Arabiens neuem König Salman nahezu alles auf, was in der Sicherheitspolitik der Amerikaner Rang und Namen hat: Außenminister John Kerry, CIA-Chef John O. Brennan, General Lloyd J. Austin, Chef des US Central Command, das für den Nahen Osten und Zentralasien zuständig ist, sowie seine wichtigsten Berater für Sicherheit, Lisa Monaco und Susan Rice, begleiten den US-Präsidenten.
Zur 30-köpfigen Delegation Obamas gehören sogar wichtige Republikaner, die in Saudi-Arabien geschätzt werden: die Ex-Außenminister James Baker (unter George Bush Sr.) und Condoleezza Rice (unter George W. Bush) sowie Senator John McCain, Obamas größter außenpolitischer Kritiker und Rivale bei der Wahl 2008.
Mit seinem persönlichen Erscheinen und der hochkarätigen, parteiübergreifenden Delegation will der US-Präsident nach dem Tod von König Abdullah zeigen, wie wichtig ihm Saudi-Arabien als Partner ist. Obama will einiges wieder gut machen, denn das Verhältnis der beiden Länder hat sich in seiner Amtszeit verschlechtert. Deshalb hofiert er nun den neuen Monarchen Salman. Seinen Besuch in Indien hat der US-Präsident eigens dafür abgekürzt. […] Saudi-Arabien mischt […]  selbst energischer in der Region mit: Es schickte seine Panzer nach Bahrain, unterstützte in Ägypten den Putsch des Militärs und greift auch in Libyen gegen die Radikalislamisten ein.
[…] Die saudische Linie ist klar: Stabilität statt demokratischer Experimente. Zu diesem Kurs scheint auch Obama wieder zurückkehren zu wollen. […]

Wie Obama aufmarschierte, zeigt schon, daß dieser Thronwechsel so wichtig wie kein anderes diplomatisches Ereignis der letzten Jahre war.

Seine „irgendein Greiser, den niemand kennt“-Ansicht über das saudische Königshaus verfolgt Stutte in seinem Artikel weiter.
Die wären eben alle leicht irre da und es käme noch schlimmer, wenn erst einmal Salmans Sohn auf den Thron folge.

Strippenzieher der gegenwärtigen Konfrontation mit dem Iran nach der jüngsten Hinrichtungswelle ist neben Salman vor allem Mohammed bin Salman (30), Lieblingssohn des Königs. Der Verteidigungsminister, als einziger der Führung studierte er nicht im Ausland, ist Favorit in der Thronfolge.
(Mopo, STU, 05.01.16)

Nun ja, also in Saudi Arabien mit den 7000 Prinzen ist es eben nicht so, daß Söhne automatisch in der Thronfolge bedacht werden. Das kam bisher auch gar nicht vor. Zudem hat Salman 12 Söhne.
Der saudische Thronanwärter war bis zum April 2015 Salmans Halbbruder Kronprinz Muqrin, 70, der 43. Sohn des legendären Königs Abd al-Aziz ibn Saud.
Inzwischen wurde er zum stellvertretenden Kronprinz zurückgestuft.
Neuer Hauptthronanwärter ist ein 56-Jähriger Enkel des Staatsgründers: Der Innenminister von Saudi-Arabien Prinz Mohammed ibn Naif ibn Abdul-Aziz Al Saud. Er ist ein Sohn des früheren saudischen Innenministers Naif ibn Abd al-Aziz.

Der von Stutte genannte Verteidigungsminister ist also maximal Nummer drei in der Thronfolge und dürfte aufgrund seiner Jugend noch Jahrzehnte lang nicht für das Amt in Frage kommen.

Redakteur Stutte muß unbedingt etwas gründlicher googlen, bevor er seine Erklärbär-Artikel in die Welt setzt.

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