Mittwoch, 8. Oktober 2014

Indien


Gelegentlich juckt es irgendwelche Polit-Nachwuchsorganisationen ältere Politiker wegen ihrer privaten Lebensführung anzugreifen.
Wir erinnern und an unsäglich JU-Plakate, die unter der Überschrift „Drei Ex-Frauen können nicht falsch liegen“ die drei Ex-Ehefrauen Gerd Schröder zeigten.
Subtext an die konservative Wählerschaft: Diese Hallodris Schröder (4. Ehe), Lafontaine (3. Ehe) und Fischer (5. Ehe) sind irgendwie unseriös.
Diese Angriffe sind erstens moralisch indiskutabel, weil die private Lebensführung nicht die Eignung als Politiker zeigt und zweitens Polit-Bumerangs. Ja, es stimmt; vielleicht lassen sich Konservative seltener scheiden, aber dafür ist die Heuchelei umso größer. FJ Strauß ließ sich regelmäßig Nutten zuführen; Seehofer und Söder haben außerhalb ihrer Ehen Kinder gezeugt und dann die Mutter im Stich gelassen. Ist das etwa so viel besser?
Im Übrigen sind Scheidungen inzwischen auch bei konservativen Landesvätern kein Tabu mehr. Die Ministerpräsidenten Oettinger und Wulff verließen im Amt ihre Ehefrauen und nahmen sich eine sehr viel jüngere Freundin. Der Bundespräsident lebt gar in wilder Ehe mit der First Lady Deutschlands zusammen, während er eigentlich mit einer anderen Frau verheiratet ist.
Auch Angela Merkel ist das zweite Mal verheiratet.

Ohne statistische Zahlen zu kennen, erscheint es mir so zu sein, daß gerade Spitzenpolitikerehen sehr schlecht halten.
Es wäre aber absurd daraus zu schließen, daß Politiker fragwürdigere Menschen wären.
Es ist eine natürliche Folge des Jobs, daß persönliche Beziehungen stark strapaziert werden. Spitzenpolitiker führen ein nicht familienfreundliches Leben mit extrem langen und unregelmäßigen Arbeitszeiten. Kinder und Ehepartner müssen dabei vernachlässigt werden. Außerdem werden zumindest wichtige Politiker auch permanent umgarnt und umschmeichelt, weil immer jemand etwas von ihnen will. Sie haben also viel mehr Gelegenheiten sich umzuorientieren und werden in Versuchung geführt.

Grundsätzlich halte ich rein monogame Ehen auf Lebenszeit für kein bißchen moralischer als promiske oder offene Modelle.
Die Moralisten auf der konservativen und christlichen Seite, die heute unisono die vielen Scheidungen beklagen, lügen sich in die eigene Tasche.
Vor hundert Jahren verließen nicht viel weniger Frauen ihre Ehemänner, weil sie sittlicher waren, sondern weil sie gar keine Alternative hatten. Sie wären als Ehebrecherinnen geächtet worden und hätten ihren Lebensunterhalt gar nicht anders bestreiten können.
Sie mußten also in vielen Fällen zwangsweise bei ihrem Ehemann bleiben, ihm als Putzfrau oder Sexobjekt zur Verfügung stehen – unabhängig davon, ob sie ihn liebten.
Es ist sehr viel moralischer Zwangspartnerschaften aufzulösen.
Hier sind die christlichen Kirchen – wie so oft – völlig auf dem Holzweg.

Nach neuen psychologischen Studien wird anerkannt, daß sich die menschliche Persönlichkeit, der „Charakter“ lebenslang entwickelt. Die Persönlichkeit ist eben nicht nach der Pubertät für immer festgelegt. Menschen verändern sich und es wäre unwahrscheinlich, wenn Paare nach 50 Jahren immer noch genauso gut zusammen passen, wie einst.

Wäre ich in einer Politikerehe, könnte ich mir am besten das Modell Simonis/Merkel vorstellen: Wenn schon einer der Partner einen extrem unsteten Job hat, bei dem er ständig unter Druck steht, ist es vermutlich sinnvoll, wenn man a) kinderlos bleibt und b) der andere wie Prof. Sauer oder Prof. Simonis eine eigene große Karriere in einem ganz anderem Bereich macht und man auch nicht auf eine gemeinsame Wohnung beschränkt ist.
Ein bißchen ähnlich funktionierte vermutlich auch die 70-Jährige glückliche Beziehung zwischen Loki und Helmut Schmidt. Beides sind Intellektuelle mit einem gemeinsamen Freundeskreis. Während er aber die ganz große weltpolitische Rolle spielte, ging sie nicht etwa unter, sondern wurde eine international renommierte Botanikerin und Vorreiterin des Pflanzenschutzes. Eine Arbeit, die weit mehr als das übliche Schirmherrendasein sonstiger Politgattinnen bedeutete und die von ihm auch bewundert wurde. Prof. Loki Schmidt wurde aufgrund ihrer eigenen Leistungen Hamburger Ehrenbürgerin und war eben nicht nur sein Anhängsel.

Das Modell Hannelore Kohl, die ohne eigene Meinung stets im Hintergrund den wichtigen Ehemann unterstützend parat stand, hat seine Tücken.

Es scheint weiterhin aufzufallen, daß bedeutende Politiker mit langen Ehen nach dem Tod ihrer Partnerin recht schnell eine neue und jüngere Frau finden – Roman Herzog und Helmut Kohl sind Beispiele dafür.

Das scheint mir wieder kein spezifisches Politikermerkmal zu sein, sondern in der Natur des Menschen zu liegen.
Wer nicht wie ich als frommer Katholik lebenslang im Zölibat lebt, möchte gerne eine Partnerschaft.
Als Partnersuchender erhöht man seine Chancen erstens indem man möglichst wenig wählerisch ist und zweitens indem man attraktiv ist.
Dabei kann „Attraktivität“ auch in Form von Macht oder Reichtum in Erscheinung treten.
Ein dicker häßlicher alter Mann kann einen wunderbaren Charakter haben und dennoch nie eine Freundin finden. Wenn er aber wie Helmut Kohl weltberühmt und reich ist, findet sich erheblich leichter jemand.
Man muß noch nicht einmal weltberühmt und steinreich sein. Aber ein Mann wie Franz Müntefering ist natürlich schon durch seine Lebenserfahrung interessant; da ist es durchaus möglich, daß sich eine 40 Jahre jüngere Frau in ihn verliebt, ohne pekuniären Interessen zu frönen.

Nicht schön ist es, wenn alte Männer wie Erich Böhme eine viel jüngere Frau heiraten und sich dann lächerlich machen, indem sie versuchen sich selbst auf jugendlich zu trimmen.
Für tragisch halte ich die Fälle Willy Brandt und Walter Scheel, bei denen eine viel jüngere Frau auf einmal das ganze Leben kontrolliert und frühere Freunde ausschließt und abkapselt.

Aus Anlass des heutigen 22. Todestages Willy Brandts wird mir immer noch schlecht, wenn ich an seine widerliche Witwe denke. Wenn tumbe Typen wie Scharping oder Hilmar Kopper mit so einer Schreckschraube geschlagen sind, kann einem das egal sein. Aber an Brandt hängt man doch…..

Ach wie ich seine Show „ZAK“ (ARD 1993 – 1996) vermisse! (Das war die mit Anne Clarks „Our Darkness“ als Titelmelodie.)
Küppersbusch ist einer der ganz wenigen TV-Leute, der rhetorisch jedem gewachsen ist und dementsprechend auch Jörg Haider bei seinem legendären Auftritt ganz alt aussehen ließ.
Einige seine Formulierungen habe ich 20 Jahre später immer noch im Kopf. Zum Beispiel, als er einen Beitrag über Willy Brandts Beerdigung und das unselige Verhalten der im Minirock erschienenen Brigitte Seebacher-Brandt gegenüber seiner früheren Familie anmoderierte:

„ ‚Brigittigitt!‘ dachten sich heute führende Sozialdemokraten und begannen ernsthaft über die Vorzüge der Witwenverbrennung nachzudenken…“
(aus dem Gedächtnis zitiert)

Ganz fürchterlich auch wie die aktuelle Scheel-Frau mit xenophoben Peinlichkeiten das Ansehen ihres Mannes ruiniert.

Barbara Scheel fiel in den vergangenen Jahren nicht nur wegen Interventionen im Pflegeheim ihres Mannes auf, sondern auch wegen anderer Äußerungen. Sie bezeichnete den früheren FDP-Chef Philipp Rösler als "Rache des Vietcong an der deutschen Innenpolitik", lästert über "schwarze Afrikaner" in deutschen Pflegeheimen und mokiert sich darüber, dass Bundespräsident Joachim Gauck nicht mit seiner Lebensgefährtin verheiratet ist.

Auch wenn ich nie gedacht hätte so etwas zu denken: Sogar Helmut Kohl tut mir inzwischen Leid.

Sein Huhn, Maike Kohl-Richter, fiel mir das erste Mal wirklich negativ auf, als sie in der Öffentlichkeit Hannelore Kohls Kostüme und Schmuck auftrug.


Inzwischen weiß man durch seine Söhne, daß sie systematisch allen anderen Vertrauten; inklusive seinen Kindern vollständig den Kontakt zu Kohl verbietet.

Die Frau ist so peinlich, daß man Helmut Kohl nur bedauern kann. So auch heute auf der Frankfurter Buchmesse.

Helmut Kohl ist da und manches ist wie früher. Drängelnde Kameraleute, einige Fans, die klatschen und fotografieren, genervte Sicherheitsleute. Der massige Altkanzler, der noch vor ein paar Jahren alle überragte und sich wie ein Dampfer durch die Menge pflügte, ist erst mal nicht zu sehen. Kohl wird im Rollstuhl aufs Podium seines Verlages auf der Frankfurter Buchmesse geschoben.
Dem Kanzler scheint der Rummel zu gefallen. Er lacht seine Frau an, wendet seinen Kopf zum Verleger. Dann bittet er um ein Taschentuch, wischt sich damit den Mund ab, gibt es seiner Frau zurück.
[…] Ob Schwan auf der Buchmesse ein Stockwerk höher geht, um Kohl zu sehen? Der Autor winkt ab. Das Buch kenne er ja ohnehin schon, sagt Schwan. "Was Kohl heute vorstellt, stammt aus meiner Feder."
Selbe Halle, eine Stunde später: Der Droemer-Verlagsleiter beendet sein Grußwort, nun wird Kohl ein Mikrofon hingehalten. Kohl strengt sich an, manche Worte gelingen ihm, viele andere stürzen ihm in der zweiten Silbe ab. "Unser Verleger hat zu meinem ersten Buch gesprochen, und ich kann nur sagen, ich hoffe, es werden viele dieses Buch lesen, denn es enthält die Wahrheit. Wie es wirklich war." Manchmal klingt er wie früher, wie der Kanzler aus der Pfalz, aber es wird immer unverständlicher. "Wenn die Deutschen ... Europas Zukunft ... leisten und können ..." Ein Sicherheitsmann verzieht das Gesicht, eine Zuschauerin sagt: "Er tut mir leid."
[…] Kohl beendet seine kurze Rede, dann schaltet sich Maike Kohl-Richter ein. Das Mikrofon Kohls ist sensibel, und so hören alle, was seine Frau ihm sagt: "Jetzt musst du nochmal sagen, dass sie es lesen sollen." Kohl gehorcht und nuschelt einen Satz, der tollpatschig wirkt. Es ist ein unwürdiges Ende eines sonst würdigen Auftritts.

Andererseits; es ist Helmut Kohl.
Ob da Mitleid angemessen ist?
Ich bin wohl ein zu guter Mensch….

Eine modifizierte indische Lösung wäre nach dem Selbstmord Hannelore Kohls wohl für alle Beteiligten besser gewesen – außer für die bis dahin unbekannte Maike R.




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