Als SPD-Mitglied muss ich meine Partei natürlich verteidigen, wenn die Merz-Fanboys der konservativen Presse wieder einmal über die Sozis herziehen.
[…..] Haider: Lieber Christoph, lange nicht über die SPD gesprochen: Ich staune über die Chuzpe, mit der Lars Klingbeil aus einer gewaltigen Niederlage einen großen Sieg zu machen scheint. Müssen Politiker genauso sein, um Erfolg zu haben?
Schwennicke: Irre, oder? Und zugleich quetscht er Merz und die Union an deren Brandmauer zur AfD und räumt bisher ab in den Verhandlungen. Scheitern als Chance.
Haider: Hätte ich Klingbeil gar nicht zugetraut. Bisher habe ich ihn politisch eher als Leichtgewicht wahrgenommen.
Schwennicke: […..] Wir haben hier einen herrlichen Cartoon in der Küche hängen, meine Frau und ich. „Nein“, sagt der Schuldirektor da zu einem Elternpaar vor ihm, „Ihr Kind ist nicht hochbegabt. Sie sind nur sehr dumm.“ In der Politik ist es gerade ähnlich. Klingbeil ist kein Genie. Er hat nur die bessere Position. Und wie ich höre, ist die Union auch ziemlich schlecht vorbereitet. Während die SPD ihre Ministerien im Kreuz hat. […..] Ich habe eine letzte Hoffnung: dass die operativ Tätigen in der SPD jetzt von den Apparatschiks übernehmen. Und die, es sind die Ministerpräsidenten, wissen genau: Sie müssen was bei Migration tun und die Wirtschaft wieder flottmachen. Sonst wird das nichts. Übrigens auch für die SPD. Man kann auch weniger als 16 Prozent haben. Da ist nach unten keine Grenze, wenn sie so weitermacht. [….]
(HH Abendblatt, 05.04.2025)
Das Problem ist nur: Wie soll man argumentativ auf die beiden Chefredakteure eingehen? Haider und Schwennicke liefern inhaltlich, wie üblich, gar keine Kritikpunkte, sondern frönen nur ihrem Unter-der-Gürtellinie-SPD-Bashing: Klingbeil ist dumm, war nie „operativ tätig“. Sozis als Leichtgewichte, die keine Ahnung vom Leben und der Wirtschaft haben.
Dabei leiden die Sozialdemokraten, ebenso wie die Demokraten in den USA, darunter, stets das Chaos und den Reformstau ihrer konservativen Vorgänger beseitigen zu müssen. Sie kommen gar nicht erst dazu, ihre eigenen Vorstellungen umzusetzen. Sozialdemokraten sind das Korrektiv gegen offensichtlichen Irrsinn wider die Mathematik, den CDUCSUAFDP verbreiten.
(….) Die meisten Journalisten leiden allerdings, ähnlich wie der Urnenpöbel, am Merz-Derangement-Syndrome und preisen trotzig, wider die Realität und wider der Empirik, neoliberale CDUFDP-Wirtschaftspolitik.
Ihnen geht es wie den beiden erzkonservativen Chefredakteuren Haider (Funke) und Schwennicke (T-online), die seit Jahren massiv für die CDU und insbesondere Friedrich Merz werben, weil nur er Deutschland wieder auf Kursbringen könne: Sozialleistungen abschaffen, „Gendergaga“ und Cannabis verbieten, Ausländer raus, Klimaschutzmaßnahmen beenden, Verbrenner- und Atom-Comeback, dazu massive Steuergeschenke an die Milliardäre – und das alles bei strikter Einhaltung der Schuldenbremse. So propagieren es Schwennicke und Haider jeden Samstag in ihrer gemeinsamen Gesprächs-Rubrik. Ihr Sauerländer Idol mit dem Mini-Schampaartoupet über der Stirn, steht tatsächlich kurz vor dem Einzug ins Kanzleramt. (….)
(Das hat man nun davon, wenn RotGrün regiert, 29.03.2025)
Wer eine gesunde Wirtschaft und gute Regierung sehen will, muss ins RotGrüne Hamburg gucken. Aber selbstverständlich ist nicht jeder Sozialdemokrat ein Genie.
Ich staune immer wieder, wie unterkomplex Saskia Esken sich äußert.
[….] Laut einer aktuellen Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Insa für die Bild-Zeitung erreicht die AfD einen neuen Höchststand. So liegt die rechtspopulistische Partei erstmals gleichauf mit der Union bei 24 Prozent. Bei den Verhandlern schrillten deswegen jetzt die Alarmglocken: „Um die AfD wieder kleiner zu machen, kommt es darauf an, dass wir jetzt liefern“, sagte SPD-Chefin Saskia Esken laut der Nachrichtenagentur AFP. [….]
Die Aussage ist ebenso verstörend, wie die Shitstürmchen von links, die jede Kritik an Esken mit Sexismus und Chauvinismus wegwischen. Nein, es spielt keine Rolle, daß sie zufällig eine Frau ist. Aber ihre Aussage verrät einen eklatanten Mangel an Erkenntnis. Die AfD erzielt Spitzenergebnisse, wo es kaum Ausländer gibt (Sachsen) und bleibt vergleichsweise schwach, wo zehnmal mehr Migranten leben (Hamburg). Menschen, mit sicheren Jobs und guten Einkommen wählen AfD, weil sie in Social-Media-Blasen gehirngewaschen werden. Die Vorstellung „wir müssen liefern“ und dann lieben uns die Leute wieder, ist seit Langem überholt. In den letzten beiden Merkel-Grokos, sowie in der Ampel, stellte die SPD ganz eindeutig; gemessen an ihren Wahlprogrammen, die effektivsten Minister. Regelmäßig verschickte das Willy-Brandt-Haus stolz Listen mit den vielen Punkten, die sie in der Regierung abgearbeitet hatten. Unabhängige Studien (Bertelsmann zB) bestätigten die effiziente Arbeitsweise der Sozis und man fragte sich quer durch alle Redaktionen, was die CDUCSU-, bzw FDP-Minister eigentlich tun. Aber zu keinem der prominenten Namen – Seehofer, Altmaier, Jung, AKK – blieb irgendetwas in Erinnerung.
Nach der Esken-Theorie; man müsse nur liefern und dann werde man vom Wähler für die gute Arbeit belohnt; hätte die SPD in den letzten 15 Jahren immer die absolute Mehrheit bekommen müssen, während die AfD für ihre alberne Non-Performance ohne irgendeine tragbare Programmatik stets deutlich unter der 5%-Hürde bliebe.
Aber selbst wenn Esken Recht hätte und es käme nur auf saubere „Lieferung“, also effektive Regierungsarbeit ohne Streit, an: Das kann gar nicht funktionieren, weil die CDUCSU weder Programme, noch Personen hat, um das umzusetzen.
Es ist schlicht und ergreifen unmöglich, den Unsinn, der von Merz und Söder versprochen wurde, umzusetzen.
Eine Regierung unter dem Groß-Versager Merz kann nicht liefern. Bezeichnenderweise versucht der Kanzler in spe gerade sein Image zu verbessern, indem er sich komplett aus der Öffentlichkeit fernhält. Das ist tatsächlich seine einzige Chance: Abtauchen! Denn wann immer er sich öffentlich äußert, wird er nur noch unbeliebter. 70% der Deutschen halten ihn schon jetzt für unglaubwürdig. Das färbt auch auf die CDUCSU-Anhänger ab, die zunehmend unzufrieden mit dem Lügenbold an ihrer Spitze werden.
[….] „Ich habe aus Berlin noch kein Signal vernommen, das mich in meinem konservativen Herzen erfreut“, sagt etwa der Stuttgarter CDU-Landtagsabgeordnete Reinhard Löffler. „Es gibt schon viel Enttäuschung bei den Konservativen in der Partei. Viele, die für Friedrich Merz waren, sind derzeit sprachlos“, sagt Christian Bäumler. Der Landesvorsitzende der CDU-Sozialausschüsse zählt sich selbst zu den Progressiven im Landesverband, nicht zu den Merz-Ultras. Die Grundgesetzänderung zugunsten der Bundeswehr finde einhellig Zustimmung, aber beim 500 Milliarden Euro umfassenden Infrastrukturfonds gebe es „Erklärungsbedarf“, sagt Bäumler.
Leute wie Bäumler und
Löffler, dem die Basis eine neue Landtagskandidatur für 2026 verweigert hat,
könnte die CDU-Spitze als Einzelstimmen abtun. Aber selbst dort nimmt man wahr,
dass die Aufbruchstimmung, die Hagels Spitzenkandidatur 2026 vermitteln soll,
in ziemlichem Kontrast zur Wahrnehmung der Koalitionsverhandlungen steht. „Es
gibt eine sehr angespannte Erwartung an der Basis, dass Merz jetzt bei
zentralen Themen wie Migration und Staatsreform liefert. Gefühlt steht es 0:2
für die SPD, alle warten auf den Anschlusstreffer“, sagt ein erfahrener
Parteistratege.
Sorgen muss der Südwest-CDU auch die Stimmung in der Wirtschaft machen. CDU-nahe Mittelständler haben gerade in einem offenen Brief die Koalitionsverhandlungen scharf kritisiert. „Diese Verhandlungen sind kein Kompromiss – sie sind eine Übernahme durch die SPD!“, heißt es in dem Schreiben, das der badische Unternehmer Thomas Herrmann initiiert hat. Die zehn Unterzeichner bezeichnen sich als „überzeugte Christdemokraten bzw. Wähler der CDU“ und fragen: „Wo bleibt die CDU?“ [….]
Aber wie sollte die CDU liefern, die a) keine Konzepte hat und b) mit einem intellektuell vollkommen überforderten Politanfänger ohne einen einzigen Tag Regierungserfahrung, an der Spitze geschlagen ist?