Montag, 24. Oktober 2016

Der Mäandertaler – Teil II


Das wird schwer.
Meine Spezialdemokraten müssen sich in absehbarer Zeit für einen Kanzlerkandidaten und einen Bundespräsidenten-Kandidaten entscheiden.
OK, die Mehrheitsverhältnisse sind jeweils etwas unklar, aber wir haben schon Kanzler und Präsidenten gestellt und außerdem in 141 Jahren Parteigeschichte Zeit gehabt zu lernen, wie man parteiintern einen Kandidaten aufstellt.
Aber wie immer, wenn es um Macht geht, hat die Partei die Hosen voll und verfällt daher in den bekannten Hühnerhaufen-Modus.

[….] Alle vier Jahre widmet sich die SPD-Spitze einem sonderbaren Ritual. Zunächst versichern die obersten Genossen, sich in der Frage der Kanzlerkandidatur von nichts und niemandem unter Druck setzen zu lassen, sondern zu gegebener Zeit eine Entscheidung zu treffen. Es steigen dann allmählich Druck und Nervosität, bis am Ende alle Zeitpläne über den Haufen geworfen werden und es zur Sturzgeburt eines Kandidaten kommt. So war es vor den Wahlen 2009 und 2013. Und so könnte es nun wieder kommen.
[….][Die SPD sollte] mindestens den November abzuwarten, in dem Angela Merkel erklären könnte, ob sie noch einmal antritt. Stünde der SPD-Kandidat vorher fest, wäre er ein Herausforderer, der noch gar nicht endgültig weiß, wen er herausfordert. Doch die SPD tut gerade alles dafür, diesen von der politischen Vernunft vorgegebenen Zeitplan hinfällig zu machen.
Keine Woche vergeht derzeit, ohne dass Klagen über die Fehler und Schwächen eines möglichen Kandidaten Gabriel nach außen dringen. [….] Wenn das noch zwei, drei Wochen so weitergeht, dann hat die SPD einen beschädigten Vorsitzenden, der schon deshalb nicht mehr als Kandidat infrage kommt, weil endgültig hinterlegt ist, dass ihm nicht einmal die eigenen Leute vertrauen. Was wäre in dem Fall eigentlich, wenn Martin Schulz zwischenzeitlich zu dem Schluss kommen sollte, doch lieber in Brüssel zu bleiben? [….]

Der gelegentlich so kluge Mäandertaler Sigmar Gabriel, der sich einfach nicht entscheiden kann, wird es vermutlich auch dieses mal versaubeuteln.
Er ist gerade so schön in Fahrt, hat schon TTIP und CETA gegen die Wand gefahren; drückt sich um die eigene Kandidatur als Kanzler - da klappt es doch sicher nach der ultrapeinlichen Käßmann-Blamage noch etwas mehr Erde zu verbrennen.

Wie so oft geht es nicht nur darum das Amt des Bundespräsidenten wieder zu besetzen, sondern die Personalie zeigt auch die von der Parteiführung gewünschte Richtung an.
Die Grünen könnten sich mit der Unterstützung eines Sozialdemokraten klar zu R2G bei der Bundestagswahl 2017 bekennen oder sie wählen einen CDU-Mann und sichern sich damit eine Regierungsbeteiligung in einer Koalition mit Merkel und Seehofers CSU.
Natürlich schweigen die Grünen, weil sie zu genau dieser Entscheidung gar nicht fähig sind. Die Hälfte der Partei (Göring-Kirchentag, Özdemir, Kretschmann und die Hessen) will mit Merkel ins Koalitionsbettchen und die andere Hälfte (Trittin und Co) will gerade nicht Merkel für vier weitere Jahre zur Kanzlerin machen.

Gabriel kann nun einen bekannten SPD-Politiker auf den Schild heben, um sich damit von Merkel abzusetzen und auf R2G zu zielen, oder er kann eine profilfreie Allerweltsperson à la Gauck auswählen, mit der alle Parteien leben können, so daß ihm die Option als Juniorpartner in einer neuen GroKo ab 2017 weiter offensteht.

Letzteres versuchte Gabriel, indem er völlig unvorbereitet den Namen Käßmann auf den politischen Marktplatz warf.
Das war gleich in vielfacher Hinsicht ein Fehlschlag. Merkel, die zu Fehlern provoziert werden sollte, ließ sich nicht provozieren. Gabriel stand durch Käßmanns prompte Absage als taktischer Volltrottel da und schließlich vergraulte er auch noch all die Menschen, die über ein Gehirn verfügen und daher allergisch auf Käßmanns Strunzdummheit reagieren.

Nachdem Gabriel mit dieser Methode voll gegen die Wand geprallt war, dachte er sich offensichtlich, daß er nochmal Anlauf auf die Wand nehmen sollte, indem er nun auf einmal „Steinmeier“ schrie.

Offensichtlich wollte er nach einer Mikrosekunde des Nachdenkens wieder einmal Merkel piesacken und plapperte gegenüber des Intellektuellen-Magazins „BILD“ los:

Doch nun dreht Gabriel den Spieß um: "Alle Parteien suchen nach einem geeigneten Bewerber, der unser Land repräsentieren kann, aber auch die Herausforderungen unserer Zeit kennt und Antworten darauf hat", sagte Gabriel der "Bild"-Zeitung . "Die SPD hat bereits einen Kandidaten, auf den all das zutrifft: Frank-Walter Steinmeier." Auch andere führende Sozialdemokraten sprachen sich am Wochenende für Steinmeier als Gauck-Nachfolger aus. [….]

Hurra, und wieder griff der SPD-Chef gleich mehrfach ins Klo:

Merkel ist vergrätzt, weil sie natürlich keinem Sozi-Kandidaten zustimmen kann, bevor überhaupt einer von der CDU genannt wurde. Damit hat sich Gabriel die Option GroKo 2017 schwerer gemacht.

Die Linken sind aber auch vergrätzt, weil Steinmeier für sie das Symbol für die „Agenda 2010“ ist.

Die Linkspartei will eine mögliche Kandidatur des SPD-Politikers Frank-Walter Steinmeier für das Amt des Bundespräsidenten nicht unterstützen. Steinmeier sei für die Linke "unwählbar", sagte Parteichef Bernd Riexinger den Dortmunder Ruhr Nachrichten.
Riexinger begründete seine Absage damit, dass Steinmeier "einer der Architekten der Agenda 2010" sei. Dieses Reformpaket habe "die Armut in die Mitte der Gesellschaft gebracht und die Spaltung zwischen Arm und Reich vertieft".
Davon abgesehen bezeichnete es der Linken-Chef als "selbstherrlich, wenn die Koalitionsparteien einen der ihren ins nächste Amt schieben, während die Regierungsbank noch warm ist". Damit wäre die Chance verpasst, "eine Persönlichkeit zum Bundespräsidenten zu machen, die unabhängig als Repräsentant der Bürgerinnen und Bürger auftritt und sich glaubhaft für soziale Gerechtigkeit und eine friedliche Welt stark macht". [….]

Damit hat sich Gabriel die Option R2G 2017 schwerer gemacht.

Indem Gabriel aber den Namen ohne irgendwelche internen Absprachen in den Topf warf, also nicht vorher mit Mehrheitsbringern von CDU/CSU oder von Grünen/Linken sprach, verbrannte er auch den Namen „Steinmeier“, der nun gar nicht mehr Bundespräsident werden kann, obwohl er einer der ganz wenigen ist, die das überhaupt wollen.

Glückwunsch, Zickzack-Sigi. Das war mal wieder ein STRIKE! Mit einem Schlag das gesamte politische Porzellan auf dem Tisch zerschlagen.

Gabriel hat sich nun gleich mehrfach blamiert:
Mit der verfrühten Auswahl einer Person, mit dem Lancieren an die Presse und auch noch mit den prompten Absagen und Union und Linker.

Diesen personalpolitischen Meisterstrategen muß Merkel nicht fürchten.

Zum Glück habe ich Gabriels Probleme nicht und bleibe bei meiner Bundespräsidenten-Favoritin, von der ich nach wie vor zu 100% überzeugt bin.


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