Freitag, 12. Februar 2016

Eherne Regel der Rechten

Seitdem ich die deutsche Innenpolitik verfolge gab es immer wieder mal irgendwelche rechtspopulistischen Gruppen am schmuddeligen Rand des Parteienspektrums, die durch BILD und platte Parolen in Landesparlamente geschwemmt wurden. Statt-Partei, Schill-Partei, Bürger in Wut, NPD, Republikaner, DVU, AfD.
Im Gegensatz zu den neuen Parteien auf der linken Seite des Spektrums – Grüne und Linke, konnten sich die braunen Brüllaffen aber nie auf Dauer etablieren.

Der Grund ist offensichtlich: Rechte sind intellektuell unterbelichtet. Da sie die Probleme gar nicht erfassen können, nur einfache Parolen grölen, können sie logischerweise nicht an Lösungen mitarbeiten.

Rechte begreifen nicht, daß der parlamentarische Alltag eher mühsam ist, Fleiß und viel Vorbereitungen erfordert.
Hier ist das sprichwörtliche Bohren dicker Bretter erforderlich – eine Methode, die diametral dem Habitus der Flachdenker widerspricht.

Unfreiwillig komisch wird es, wenn Rechte versuchen sich den Anstrich einer seriösen Partei zu geben, indem sie ein Parteiprogramm aufstellen.
So ein Unterfangen ist gar nicht so leicht für die schrägen Schreihälse, die nur ziemlich genau wissen wogegen sie sind.
Parteiprogramme hingegen sollten konstruktiv sein, Lösungen skizzieren und Pläne präsentieren. Zum Glück für die Rechten, lesen weder sie selbst, noch ihre Anhänger.
Blöd ist allerdings, wenn jemand anders sich die Mühe macht die Programmatik zu lesen, wie es die Netzaktivistin Katharina Nocun mit dem AfD-Programm tat.

 [….] Ich habe mir die Parteiprogramme der AfD-Landesverbände angeschaut, die demnächst wählen: Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg. Das sind die aktuellsten Programme. Sie zeigen sehr gut, wie die Partei momentan tickt, da die Mitglieder dem Programm zustimmen müssen.
[….] Verklärung preußischer Zustände, religiös-fundamentalistische Weltsichten, offener Rassismus, Klimawandelleugnung, marktradikale Konzepte aus der Mottenkiste. Alles dabei.
[….] Die AfD vertritt ganz klar die Interessen eines kruden Sammelsuriums von Interessengruppen: Großverdiener sollen weniger Steuern zahlen, radikale christliche Sekten bekommen Geschenke wie „Home Schooling“, das Infragestellen des menschlich verursachten Klimawandels begünstigt Umweltverschmutzer und Rechtsradikale finden sich im Rassismus wieder.
[….] Sie ist erzkonservativ bis ins Mark. Die stellvertretende Vorsitzende Beatrix von Storch holt die Diskussion zurück in die sechziger Jahre. Sie fordert als Abtreibungsgegnerin ernsthaft die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. [….]
 In Baden-Württemberg will die AfD „auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einwirken und auch im Bildungsbereich Anstrengungen unternehmen, damit Ehe und Familie positiv dargestellt werden.“ Was denn nun? Meinungsfreiheit, Pressefreiheit oder staatliche Beeinflussung der Medien?
[….] In Sachsen-Anhalt findet sich noch etwas Interessantes zur Freiheit der Kunst: „Museen, Orchester und Theater sind in der Pflicht, einen positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern. Die Bühnen des Landes Sachsen-Anhalt sollten neben den großen klassischen internationalen Werken stets auch klassische deutsche Stücke spielen und sie so inszenieren, dass sie zur Identifikation mit unserem Land anregen.“ Was für eine Partei möchte Theatern vorschreiben, welche Stücke sie zu inszenieren haben? Das kennen wir nur aus repressiven Regimen. [….]

Nachdem nun aber schon vier AfD-Landtagsfraktionen existieren, erleben wir bei ihnen das was auch ihre Vorgänger von Republikanern, DVU und NPD bei ihren Stippvisiten im Parlamentarismus vormachten:

Aktuell sorgt in Hamburg der gerade erst von mir skizzierte AfD-Rechtsaußen „Dr. Flocken“ für den unweigerlichen blamablen Weg in die Lyse der braunen Fraktion.

Dr. Flocken ist so rechts, daß neben ihm nur noch die Wand kommt.
So unterzeichnete er im März 2015 die sogenannte „Erfurter Resolution“, auch bekannt als der braune Fluegel innerhalb der AfD, in der Rassist Björn Höcke sich mit seinen völkischen Thesen von Henkel-Lucke-Gruppe absetzen wollte.

Zuvor hatte der Bundesvize Hans-Olaf Henkel das Papier als "spinnerte völkische Ansichten" bezeichnet.  Flocken, Orthopäde aus Bergedorf, stört diese Kritik nicht. Er führt: "Wenn ich konservative, libertäre, islamkritische oder kriegskritische Positionen vertrete, bei Pegida mitspaziere oder rede, dann fühlen sich Politik und Medien provoziert." Auch in der AfD müsste das nicht jedem gefallen, sagt er. "Es gehört aber zur AfD dazu."
[….]  Es ist nicht das erste Mal, dass Flocken an diesem Image kratzt: Am 26. Januar beschimpfte er bei dem Pegida-Ableger in Schwerin die Gegendemonstranten: "In Diktaturen werden Kritiker der Regierung von der Polizei niedergeknüppelt. Bei uns brauchen die Eliten euch als Fußvolk, um die Menschen zusammenzuschlagen und einzuschüchtern." Und bezeichnete die Pegida-Gegner als "die neue SA".

Im Januar 2016 dreht sich Flockens Welt natürlich um die Silvester-Vorfälle.
Eine Steilvorlage für den Arzt, gegen den die Ärztekammer bereits ein Verfahren angestrengt hatte.

Fakten und konstruktive Politik interessieren die AfDler naturgemäß wenig.

Die AfD in Hamburg stellt mit Abstand die faulsten Abgeordneten, die wenn überhaupt nur Gaga-Anfragen stellen.
Der Parteichef Kruse warf seinen Vorsitz im Oktober 2015 hin, blieb aber auf dem (lukrativen) Posten des Fraktionsvorsitzenden – nur um sich drei Monate später in die USA abzusetzen.
Inhaltlich gibt es außer Hetze gegen Flüchtlinge kein Betätigungsfeld der AfDler in der Hamburger Bürgerschaft.

Bildung, Umwelt, Gesundheit, Verkehr, Wirtschaft? Fehlanzeige! Entsprechend hart das Urteil der politischen Widersacher: „Die AfD ist monothematisch aufgestellt. In fast allen anderen Politikfeldern findet sie nicht statt“, stellt der CDU-Fraktionschef André Trepoll fest. Das sieht die Linke genauso: „Sie hat außer ein oder zwei Anliegen zu keiner anderen Frage der Entwicklung der Stadt etwas zu sagen“, so Christiane Schneider. [….] In der Ausschuss-Arbeit des Parlaments, die es zu allen relevanten Themen gibt, ist das Urteil über die AfD vernichtend – und zwar parteiübergreifend.
Selbst CDU und Linke, die sich sonst quasi nie einig sind, kommen zu dem gleichen Ergebnis:  „In den Ausschüssen  muss man viel Detailwissen haben, da kann man nicht mit Plattitüden arbeiten. Das ist bei den AfD-Kollegen noch nicht erkennbar“, sagt Trepoll (CDU). Die Linke wird noch deutlicher: „In den Ausschüssen glänzt die AfD nach meinen Erfahrungen durch nahezu vollständige Abwesenheit – auch wenn ihre Abgeordneten körperlich anwesend sind. Von ihnen kommt: Nichts“, so  Schneider. Auch Beobachter geben der AfD in der Ausschuss-Arbeit schlechte Haltungsnoten.
Dass der AfD-Fraktionschef Jörn Kruse derzeit für drei Monate nach Kalifornien verschwunden ist, sorgt für Kopfschütteln. Kruse, der als Fraktionschef rund 8000 Euro im Monat erhält, begleitet seine Frau, die eine Gastprofessur an der Elite-Uni Stanford angenommen hat. [….]

Elfmal scheiterte die AfD daran einen der ihren in die Hamburger Härtefallkommission zu entsenden, die über das Schicksal von mit Abschiebung bedrohten Menschen entscheiden muß.

Inzwischen verfällt auch die AfD-Hamburg, wie es zu erwarten war, immer mehr der Lyse.


Mit seinem Austritt aus der Fraktion kam Flocken einem Ausschluss zuvor. Ein entsprechendes Verfahren war nach Angaben der AfD-Fraktion bereits eingeleitet. In ihrer offiziellen Stellungnahme sprachen die Rechtspopulisten, die fortan noch mit sieben Vertretern in dem Landesparlament sitzen, von „unüberbrückbaren unterschiedlichen Auffassungen“. Es habe eine Reihe von „nicht unerheblichen inhaltlichen Differenzen innerhalb der Gemeinschaft“, die vor allem die interne Abstimmung parlamentarischer Anfragen und Initiativen betroffen hätten, gegeben.

Allerdings nicht ohne vorher noch einmal öffentlich zu demonstrieren, was für ein dubioser und schlicht nicht wählbarer Haufen die AfD ist.

Er gehörte dem rechten Flügel seiner Fraktion an - aber letztendlich war ihm alles wohl nicht rechts genug. Dr. Ludwig Flocken ist aus der Fraktion ausgetreten. Es ist unüblich, ein Gespräch, das wir gemeinsam mit Kollegen vom NDR führten, ungeschnitten einfach in ganzer Länge online zu stellen. Wir machen mal eine Ausnahme. Weil wir finden, dass es für sich selbst spricht. Und wenn man nicht schneidet, kann man sich zumindest nicht den Vorwurf der Lügenpresse einhandeln.

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