Montag, 31. März 2014

Notposting

(Heute leider nur zehn Minuten Zeit)

Ich hasse, verabscheue und verachte Hitler- und Auschwitz-Witze; dasselbe gilt eigentlich für NS-Vergleiche aller Art.

Dabei ist die höchste Form der Perfidie, wenn Nachkömmlinge der Täter-Seite sich selbst, oder gar die ehemaligen Nazi-Opfer mit NS-Vergleichen überziehen.
Es stellt sich ja generell immer mehr die Frage, ob es überhaupt noch Tabus gibt, oder ob man alles darf.
Geht es um eine Form der Kunst, wenn also beispielsweise in einer Plastik oder einer Installation ein Hakenkreuz benutzt wird, bin ich schon offener für eine Verwendung von NS-Metaphorik.
Benutzt man aber Nazi-Vergleich ohne doppelten Boden, nämlich tatsächlich als politische Aussage, hat man sich selbst disqualifiziert.
Das fällt für mich in die Kategorie „Das tut man nicht!“

Es gibt Dinge, die rutschen einem anständigen Menschen eben NICHT raus - weder heimlich, noch am Stammtisch, noch öffentlich, noch auf dem Klo.

 Die menschliche Selbstdisqualifikation zeigen die Beispiele Stoiber (Warnung vor „durchmischter und durchrasster Gesellschaft“), Martin Hohmann (Juden seien “Tätervolk” ), Oettinger (Hans Filbinger “war Gegner des NS-Regimes”) Rüttgers („Kinder statt Inder“, „faule Rumänen“), Koch (Bsirskes Reichenkritik sei “eine neue Form des Sterns auf der Brust”), Jenninger (“Faszinosum” des Nationalsozialismus ), Laschet (über Kinderkrippen: „Das erinnert mich wirklich an jemanden, der bei einer anderen deutschen Diktatur gesagt hat: Das war alles gar nicht so schlimm, die haben wenigstens die Autobahnen gebaut“), FJ Strauß (über Jusos: “schlimmsten Nazi-Typen in der Endzeit der Weimarer Republik”), Kohl (Goebbels-Gorbatschow-Vergleich, über Thierse: “schlimmster Präsident seit Hermann Göring”) und Hans Werner Sinn (“In jeder Krise wird nach Schuldigen gesucht, nach Sündenböcken. In der Weltwirtschaftskrise von 1929 “hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager“)

Nun ja, es gibt auch Nazisprüche, die nicht zwingend die häßliche braune eigene Seele zeigen, sondern womöglich nur überbordender Doofheit geschuldet sind.

Schäuble über die Klagen gegen die Vorratsdatenspeicherung: “Wir hatten den größten Feldherrn aller Zeiten’, den GröFaZ, und jetzt kommt die größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten.”)

Christian Wulff über Managergehälter: "Ich finde, wenn jemand zehntausend Jobs sichert und Millionen an Steuern zahlt, gegen den darf man keine Pogromstimmung verbreiten")

Aber Stoiber Multi-Warnung vor einer „durchmischten und durchrassten Gesellschaft“ ist eben nicht zu entschuldigen.

Nach so einem Klopfer kann man nur zurücktreten und von der politischen Bühne verschwinden.

Das gilt auch für den Piraten.

Martin Delius, Abgeordneter der Berliner Piratenpartei, ist einer der inzwischen ziemlich vielen „Einzelfälle“, der etwas raugehauen hat, das einem eben NICHT rausrutscht.

Martin Delius hatte in einem Spiegel-Interview gesagt, 
der Aufstieg der Piratenpartei verlaufe "so rasant wie der der NSDAP zwischen 1928 und 1933".

Keine Toleranz der Intoleranz. Kein Kleinreden des Rechtsextremismus.

Was sich heute Schäuble geleistet hat, gehört für mich zu den schlimmsten Entgleisungen, die ich in meinem politischen Leben erlebt habe.

Das Vorgehen Russlands gegenüber der Ukraine erinnert Wolfgang Schäuble offenbar an den Expansionsdrang Nazi-Deutschlands. "Solche Methoden hat schon der Hitler im Sudetenland übernommen", erklärte der Finanzminister am Montag bei einer öffentlichen Veranstaltung in seinem Ministerium. "Das kennen wir alle aus der Geschichte."
Schäuble bezog sich dabei auf Argumente, die die russische Regierung unter Präsident Wladimir Putin als Rechtfertigung für die Annexion der Krim anführt. Konkret geht es um die Behauptung, russischstämmige Bürger der Ukraine würden bedroht. Ähnlich argumentierten 1938 die Nazis, als sie vorgaben, "Volksdeutsche" in den tschechoslowakischen Randgebieten schützen zu müssen.
Schäubles Bemerkung fiel vor rund 50 Schülern aus Berlin auf einer Veranstaltung des EU-Projekttags 2014 der Bundesregierung.

UN- FASS-BAR.

Ausgerechnet Schäuble, der aus der ganz braunschwarzen BW-CDU-Ecke kommt, in der die NS-Größen Kiesinger und Filbinger zu höchsten Ehren gelangten und es immer breite Überschneidungen mit rechtsextremen Gruppen gab – Stichwort „Weikersheimer Kreis“, wo man Verbindungen zwischen CDU und Nationalsozialisten pflegt – ausgerechnet dieser Schäuble, überzieht den Präsidenten des Landes, das mit Abstand am meisten unter den Nazis gelitten hat – mehr als 20 Millionen Russen wurden von Deutschen im Zweiten Weltkrieg ermordet – mit Hitler-Vergleichen.

Da bleibt mir die Spucke weg.
Der Mann muss SOFORT entlassen werden.

Die rückgratlose Kanzlerin wird das wohl nicht tun, aber immerhin fühlte sie sich selbst in dieser hochgradig antirussisch aufgeheizten Stimmung bemüßigt Putin beizuspringen und Schäuble zu rügen.

Und selbst die Bundeskanzlerin geht auf Distanz zu ihrem Kabinetts-Routinier. Auf Schäubles historischen Exkurs angesprochen sagte Angela Merkel bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem senegalesischen Präsidenten Macky Sall im Kanzleramt: "Ich betrachte den Fall der Annexion der Krim als einen für sich stehenden Fall. Und da habe ich schon alle Hände voll zu tun, denn es handelt sich ganz eindeutig um einen Verstoß gegen das internationale Recht, und das ist das, was heute zählt, und daran halte ich mich."

WÄRE Schäuble ein halbwegs integrer Politiker, würde er selbst zurücktreten.
Aber das ist wohl bei einem CDU-Mann eine absurde Hoffnung.




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